Das erste und letzte Foto – unterwegs für die Stiftung „DeinSternenkind“

Triggerwarnung!


In diesem Artikel geht es um Sternenkinder, es werden z.T. Fotos gezeigt. Solltest du schwanger oder selbst betroffen sein, überlege bitte gut, ob du emotional bereit bist für diesen Blogeintrag.

Zunächst möchte ich dir erklären, was ein Sternenkind ist:

Natürlich trauern die Eltern. Aber da jede Person individuell trauert, kann dieser Moment ganz unterschiedlich sein. Manche Eltern entdecken Gemeinsamkeiten zu anderen Familienmitgliedern, es wird gelacht und das Kind wird liebevoll gestreichelt und voller Stolz betrachtet.

Manche Eltern stehen aber so unter Schock, dass sie keine Worte für das haben, was ihnen widerfahren ist und schaffen es nicht, ihr Kind zu betrachten oder anzufassen. Alle Gefühle dürfen in dieser Situation sein und sind erlaubt. Es wäre falsch, über die Art der Trauer der Eltern zu urteilen und diese, im schlimmsten Fall, noch zu verurteilen.

Manchmal helfen wir Fotograf:innen den Eltern, Berührungsängste abzubauen, denn wir behandeln die Kinder ganz liebevoll und berühren sie auch und zeigen dadurch, dass diese Kinder genauso menschlich sind wie du und ich. Dennoch wird es natürlich akzeptiert, wenn Eltern ihre Grenzen wahren möchten.

Seit ich professionell fotografiere, kam dieser Gedanke immer wieder auf. Ich kannte die Arbeit, weil ich damals für Frühchen und Sternchen Kleidung nähte. Aber anfangs fühlte ich mich noch nicht bereit dafür. Ich hatte (Selbst-) Zweifel, ob ich der Situation gewachsen, ob ich gut genug bin, denn eine zweite Chance bekommt man nicht usw.

Eine meiner besten Freundinnen erkrankte vor ein paar Jahren an Krebs. Wir waren verabredet und wollten noch Fotos von ihr im Sonnenuntergang machen, bevor sie die Chemotherapie begann. Leider musste sie unseren Shootingtermin absagen – eine weitere Chance wurde uns nicht gegönnt. Ihr könnt euch vorstellen, wie wertvoll diese Fotos von ihr bzw. von uns für mich gewesen und wie sehr sie mir (und vielleicht auch der Familie) während des Trauerprozesses gewesen wären. Die letzte Erinnerung an sie, lachend im Sonnenuntergang mit ihren langen Haaren… Ich hätte es mir sehr gewünscht, ihr diese Fotos zu ermöglich, wollte sie sich doch noch einmal richtig besonders fühlen…

Als sie verstarb, habe ich folgenden Spruch gelesen:

Trauer entsteht durch Liebe


Bämm, der Satz traf mich mitten ins Herz und ich hielt einige Zeit inne. Plötzlich erschien die Trauer für mich greifbarer, endlich verständlicher und half mir, diese zu verarbeiten. Es ist ok und normal, um einen geliebten Menschen zu weinen, auch Jahre später noch. Trauer entsteht durch Liebe. Würde man nicht um einen Menschen trauern, würde es sich anfühlen, als hätte das Leben nie existiert. Zumindest stelle ich mir dies so vor. Während dieser Zeit beschäftigte ich mich mit den Themen Sterben, Tod und Trauer, was mein Umfeld leicht beunruhigte. Aber es half mir bei der Trauerbewältigung, ich wollte mich verstehen.

Und nach einigen Jahren kam die Erinnerung an die Sternenkindfotografie wieder hoch. Aufgrund meiner Erfahrung mit meiner Freundin wollte ich anderen Menschen Fotos ermöglichen und ihnen somit bei der Trauerbewältigung helfen. Es kamen zwar auch die gleichen Selbstzweifel auf, aber ich fühlte mich bereit und wollte mich aus meiner Komfortzone wagen.

Ich habe es bislang nicht bereut. Der erste Einsatz hat mir große Angst gemacht, denn ich wusste nicht, was mich erwartet und ob ich es verkrafte. Aber die Familie war so liebevoll mit ihrem Kind und dem älteren Geschwisterkind, dass es, unter diesen Umständen, eine sehr bereichernde Erfahrung für mich war, die mir ein großes Stück Angst vor der Tätigkeit nahm.

Gleichzeitig möchte ich nicht leugnen, dass es anfangs etwas ungewohnt war, ein verstorbenes Kind zu berühren und zu positionieren. Aber wie alles im Leben ist dies eine Frage der Routine.

Als ich die Fotos übergab, war die Familie sehr dankbar und betonte immer wieder, wie sehr die Fotos halfen, die Erinnerung an ihr Sternenkind aufrecht zu erhalten und zu zeigen, dass es dieses Kind wirklich gab. Sie sprachen voller Liebe und Dankbarkeit von dem kleinen Würmchen, was mich sehr berührte.

Ich möchte mit meiner Schilderung zeigen, dass die Sternenkinder geliebt werden und ein fester Bestandteil der Familie sind und bleiben. Daher hat es in meinen Augen nichts Absurdes, ein verstorbenes Kind mit seinen trauernden Eltern zu fotografieren und ein Stück zu begleiten. Sondern ganz im Gegenteil: Die Liebe zwischen den Eltern und ihrem Kind wird festgehalten, die Würde des Kindes wird bewahrt und gleichzeitig dienen die Fotos als Beweise der Existenz des kleinen Menschens. Seit 2013 können Eltern von Sternenkindern (unabhängig ihres Geburtsgewichts bzw. der Schwangerschaftswoche) eine Geburtsurkunde erhalten und ihr Sternenkind beerdigen lassen.

Und genau darum geht es vielen Sternenkinder-Fotograf:innen:
Die Würde und die Erinnerungen an die Sternenkinder zu wahren!

Es wäre gelogen, wenn ich behaupte, dass mich die Einsätze nicht berühren würden. Oftmals denke ich tagelang an den vergangenen Einsatz zurück, logischerweise v.a. dann, wenn ich die Fotos bearbeite. Mein Vorteil dabei ist, dass ich als Außenstehende in die Familie komme und ich durch die Kamera etwas Distanz halten kann. Während des Einsatzes spreche ich mit dem Kind, berühre und positioniere es und bin gleichzeitig auf die Arbeit an sich fokussiert und versuche so rücksichtsvoll und empathisch wie möglich zu sein.

Nach den Einsätzen habe ich mir eine kleine Routine erarbeitet:
Da ich nach jedem Einsatz über den Hauptfriedhof gehe, lege ich am Sammelgrab der früh verstorbenen Kinder ein paar Blümchen nieder und halte einen Moment inne.
Dann sichere ich die Fotos, bearbeite sie ein paar Tage später und schreibe meinen persönlichen Einsatzbericht um das Ganze zu verarbeiten. Nachdem ich die Fotos bestellt habe, werden diese zusammen mit einer selbstgestalteten Karte liebevoll eingepackt und den Eltern übergeben. Ich möchte so meine Erinnerung an die Kinder und deren Eltern möglichst würdevoll und schön bewahren und sie mit einer liebevollen Verpackung ehren.

Ich hoffe, ich konnte dir das Thema etwas näherbringen, dich ein bisschen aufklären bzw.
informieren und dir vor allem die Angst vor diesem Thema nehmen.

Wenn ihr Fragen zu der ehrenamtlichen Tätigkeit habt oder als Fotograf:in überlegt, ebenfalls ein Teil von „DeinSternenkind“ zu werden, könnt ihr mir gerne schreiben. Ich berichte auch gerne ausführlicher von dem Bewerbungsverfahren und meinen ersten Erfahrungen.

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